Stadtrundfahren in Goslar, Quedlinburg und Hildesheim

Vor den Osterfeiertagen waren wir je zwei Tage in Goslar und Quedlinburg, wo wir hatten uns zuerst bei einer Fahrt mit den Bimmelbahnen einen Überblick über die Sehenswürdigkeiten beider Städte verschafft hatten. In der Bahn in Goslar machte uns ein vorbereiteter Text auf bedeutende historische Bauwerke und die Stadtgeschichte aufmerksam. In Quedlinburg erläuterte uns der Lokführer die Sehenswürdigkeiten. Dabei lernten wir besonders viel über die Stadt kennen. Er ging nicht nur auf die Könige und Kaiser, die sich in Quedlinburg aufhielten und die Königin Mathilde und die Äbtissin Mathilde vom Frauenstift, sondern auch auf den Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock und die erste in Deutschland promovierte Ärztin Dorothea Christiane Erxleben ein.

 Nach Ostern unterbrachen wir eine Fahrt nach Hamburg für einen Tag in Hildesheim. Nachdem wir angekommen waren, eilten wir auf den Markt, um bei einer Stadtrundfahrt mit der neuen Solarbahn einen Überblick über die Stadt zu erhalten. Wir wurden dabei auf wichtige Gebäude hingewiesen, doch als wir in das Viertel mit den Fachwerkhäusern einbogen, wurde die Lautstärke plötzlich unerträglich erhöht und es erschallte ein Lied mit dem Refrain:

 Wir sind die Niedersachsen,

Sturmfest und erdverwachsen,

Heil Herzog Widukinds Stamm!“

 Ich war entsetzt, weil ich sofort an meine Kindheit vor 70 Jahren dachte, als wir als Pimpfe des Jungvolks in braunen Hemden durch die Stadt marschierend dieses Lied sangen. Nach einigen knappen Erläuterungen zu einem Fachwerkhaus erschallte erneut das gleiche Lied. Die Zeilen „Wo fielen die römischen Schergen? Wo versank die welsche Brut? In Niedersachsens Bergen, an Niedersachsens Wut. Wer warf den röm'schen Adler nieder in den Sand? ... Das war´n die Niedersachsen ...“ standen ganz im Gegensatz zu den durch die Christianisierung durch die Welschen geschuldeten sakralen Bauwerken, die Hildesheim zum Welterbe verholfen haben. Wir waren übrigens zu Mittag, am Nachmittag und am Abend in Gaststätten, die von welschen Mitbürgern betrieben wurden.

Der Wunsch einmal nach Hildesheim zu fahren, entstand beim Lesen der Autobiografie des in Hildesheim geborenen berühmten Biochemikers und Nobelpreisträgers Hans Adolf Krebs, der Hildesheim mit seinen vielen Kirchen als schönste Stadt in Deutschland bezeichnete. Er musste als Jude Deutschland in der Nazizeit verlassen und setzte seine Forschungen in England fort, wo er von der britischen Königin geadelt wurde. Die Stadt Hildesheim ernannte diesen bedeutenden Gelehrten, der nach dem Krieg seine Heimatstadt mehrfach besucht hat, 1966 zum Ehrenbürger. Dem Textautor für die Stadtrundfahrt erschien das jedoch nicht erwähnenswert. So wird mir von dem kurzen Besuch in Hildesheim nicht nur die gelungene Rekonstruktion des Historischen Marktes; sondern auch das mir unangenehme Lied der Niedersachsen in Erinnerung bleiben.

29.04.2014

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