Untertagelaboratorium „Felsenkeller“ in Dresden zur Messung geringer Radioaktivitäten und die Bedeutung der Neutronen für den Untergrund   

Siegfried Niese

 

1. Einleitung

 

Wenn eine besonders niedrige Nachweisgrenze bei der Messung geringer Radioaktivitäten erforderlich ist, muss man auch die Messung in einem unterirdischen Messraum in Betracht ziehen, denn eine Verbesserung der Nachweisgrenze im Untertagemesslabor findet immer dann statt, wenn bei der oberirdischen Messung die kosmische Strahlung wesentlich zum Untergrund der Messung beiträgt. Als vor 25 Jahren die ersten Messplätze in einer Untertagemesszelle in einem Stolln im Felsenkeller in Dresden installiert wurden, gehörte dazu neben einem Gammaspektrometer mit einem Ge(Li) Detektor auch ein Messplatz mit sieben Plastdetektoren und einem NaI(Tl) -Detektor zur β,γ-Koinzidenzspektrometrie von radiochemisch abgetrennten Nukliden, insbesondere von 59Fe. Auf diese Weise begann die Entwicklung des Untertagemesslabors Felsenkeller auch mit dem gleichzeitigen Einsatz von chemischer Trennung, untertägiger Messung und Koinzidenztechnik, die jede einzeln bereits einen Beitrag zur Verringerung des Untergrundes leisten, um so mehr in ihrer Kombination.  Während zur Abschirmung gegen die Radioaktivität nur einige Zentimeter eines dichten Materials notwendig sind, erfordert die Abschirmung gegenüber den Komponenten der kosmischen Strahlung, die viel geringere Schwächungskoeffizienten besitzen, dicke Gesteinsschichten oder spezielle Antikoinzidenzdetektoren. 

Die ersten unterirdischen Messungen der Radioaktivität wurden 1898 durch Julius Elster und Hans Geitel aus Wolfsburg in 300m and 800m Tiefe in Bergwerken im Harz durchgeführt. Sie verglichen die Intensität der Radioaktivität von Radiumproben oberirdisch und in der Tiefe, um herauszufinden, ob die Quelle der Energie der radioaktiven Strahlung aus der Atmosphäre oder aus dem  radioaktiven Stoff selbst stammt. Vierzehn Jahre später, als allgemein anerkannt war, dass die Radioaktivität aus dem Zerfall der Atomkerne stammt und dass die Gesteine wegen ihres Gehaltes an Kalium, Thorium und Uran radioaktiv sind, nahm der Wiener Physiker Viktor Moritz Hess Elektrometer zu einer Reihe von Ballonflügen in der Annahme mit, dass sich die Intensität der Strahlung mit der Höhe wegen des größeren Abstandes zur Erdoberfläche verringert. Während bis zu einer Höhe von 1000m die Intensität der ionisierenden Strahlung innerhalb der Messgenauigkeit konstant blieb, nahm sie in größeren Höhen nicht wie erwartet ab, sondern zu. Dieses überraschende Ergebnis hat er bei einem Flug mit Sicherheit bestätigt, als er mit einem mit Wasserstoff gefüllten Ballon größere Höhen erreichen konnte. Er flog am 7. 8. 1912 von Aussig (Jetzt Usti, CZ) über Bischofswerda nach Pieskow bei Berlin, wobei er am Schwielochsee eine Höhe von 5350m erreichte und dabei mit der deutlich erhöhten Ionisation die kosmischen Strahlung entdeckte. Der Beweis für die Existenz der Höhenstrahlung setzte einen geringen Eigenmesswert der Elektrometer und einen deutlichen die normalen Schwankungen überschreitenden Anstieg der Messwerte voraus. 

 Die ersten Messungen von Proben zur Altersbestimmung mit Proportionalzählern, die in einem Untertagelabor installiert wurden, beschrieben 1975 Oeschger und Loosli  Sie verglichen die Untergrundkomponenten in einem normalen Labor, in 70mwe Tiefe unter dem Physikalischen Institut der Universität Bern und im St. Gotthard Tunnel in 3000mwe Tiefe. Der erste Einsatz eines Untertagelaboratoriums für die Neutronenaktivierungsanalyse erfolgte 1983 im Laboratorium “Felsenkeller“ in Dresden unter einer Gesteinsdecke von 125mwe. In der Folgezeit wurden mehrere weitere Untertagelaboratorien für die Messung der Radioaktivität in mittlerer Tiefe und für grundlegende Untersuchungen in großen Tiefen eingerichtet, wobei die bei der Grundlagenforschung gesammelten Erfahrungen auch für die Konstruktion von oberirdischen Laboratorien und in mittlerer Tiefe angewendet wurden.

 2. Ausgewählte Untertagelaboratorien

 In Tabelle 1 wird eine Übersicht über einige Standorte von Untertagelaboratorien nach ihrer Tiefe geordnet angegeben. Es sind auch einige Orte aufgenommen, wo Messungen durchgeführt wurden aber kein ständiges Laboratorium installiert wurde. Die meisten Tiefenangaben stammen von Povinec .

Tabelle 1: Übersicht über Untertagelaboratorien

 

Institut

Ort

Typ

Tiefe,m

mwe

Anwendung

 

Physikal. Institut

München-Garching

Bauwerk mit Aufschüttung

 

5

Physikalische Experimente

 

MPI für Kernphysik 

Heidelberg

Höhle

 

15

g-Spektro- metrie.

 

University of California.

Stanford

Laborgebäude

 

17

Kernphysik

 

IAEA-MEL 1)

Monaco

Höhle

 

35

Low-level

Messungen

 

Universität Arizona

Tucson,

Arizona

Bauwerk unter Institut

10

 

LSC

 

NASA-JSC 2)

Houston, Texas

Bauwerk unter Institut 

20

 

NAA

 

Physik. Inst. Universität

Bern, Schweiz

Bauwerk unter Institut

25

 

70

ß-Zählung

 

Universität Tokio

Nokogiri-yama, Japan

Höhle

 

180

Low-level

Messung

 

VKTA3)

Dresden

 Höhle

47

125

Low-level Messung

 

Kanazawa Universität

Ogoya, Japan

Tunnel in Kupfermine

135

270

g-Spektr.

 

Baradello Underground L.

Como, Italien

Natürliche Höhle

 

300

Neutronen-messung

 

Bergakademie

Freiberg,

Silber-Bergwerk

147

390

g-Spektr.

 

Low Background Facility, LBNL

Oroville, CA

Wasserkraft-werk

180

 

NAA, g-Spektr. von Material

 

IRMM 4)

Mol, Belgien

Probeschacht

223

500

g-Spektr.

 

INR Ukrain. Akad. d. Wiss.

Solotvina

Ukraine

Salzbergwerk

430

1000

 

 

CPL Cheongpyung underground l.

Cheongpyung Korea

 

350

1000

Suche nach dunkler Materie

 

PTB 5)

Asse, bei Braunschweig

Salzbergwerk

750

1750

Test von Dosimetern

 

Universität Minnesota

Soudan

Bergwerk

 

1800

Physik

 

Universität

Zaragoza

Canfranc

Spanien

Autobahn-Tunnel

 

2100

Physik

 

Boulby

 

Salzbergwerk

1100

 

Dunkle Materie

 

Universität Tokio

Kamioka

Japan

Bergwerk

 

2700

Neutrino- forschung

 

Universität Sydney

Broken Hills, Australia

Bergwerk

1230

 

 

 

INFN 6)

Gran-Sasso, Italien

Autobahn-tunnel

1400

3500

Physik

 

IfK Russ. AdW

Baksantal, Russland

Höhle

 

4400

Neutrino- forschung

 

PNL-USC 7)

Homestake SD, USA

Bergwerk

 

4400

2ß-Zerfall

 

LSM 8)

Frejus, Frankreich

Autobahn-tunnel

1780

4800

Physik

 

SMSR9)

Mont Blanc,

Frankreich

Autobahn-tunnel

2200

5000

Neutrino-forschung

 

Universität Kingston,

Sudbury, Ontario, Kanada

Bergwerk

 

6200

Neutrino- forschung

 

TIFR 10)

Kolar field, Indien

Bergwerk

 

8500

Neutrino- forschung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1) International Atomic Energy Agency, Marine Environment Laboratory

2) National Aeronautics and Space Administration, Johnson Space Center

3) Verein für Kernverfahrenstechnik und Analytik Rossendorf, Dresden

4) Institut für Referenz Materialien und Messungen, Geel, Belgien

5) Physikalisch Technische Bundesanstalt Braunschweig

6) Istituto Nationale Fisica Nucleare, Gran Sasso

7) Pacific Northwest Laboratory, University of South Carolina

8) Laboratorie Souterrain de Modane, Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS)

9) Service Mixte de Securite´ Radiologique Monthery

10) Tata Institute of Fundamentl Research, Mumbay

 

Es ist von großem Vorteil, wenn schon das Gesteinsmaterial, in dem ein Hohlraum für das Laboratorium genutzt wird, selbst nur wenig aktiv ist. Tabelle 2 gibt einige mittlere Aktivitätswerte für verschiedene Gesteinstypen an.

 Tabelle 2: Mittlere Konzentration c der radioaktiven Elemente in Gesteinen

 

Gesteinstyp

K in

 %

40K in

Bq/kg

Th in

g/t

230Th in

Bq/kg

U in

g/t

238U in Bq/kg

Obere Kruste, MW

2,5

77,5

10,5

42

2,5

31

Ultrabasite

0,03

0,9

0,005 

0,02

0,003

0,04

Dunit, Twin Sisters

0,0001

0,003

0,01

0,04

0,004

0,05

Basalte

0,83

26

3

12

0,5

6

Granite

3,3

100

18

72

3,5

44

Schiefer

2,3

71

11

44

3,2

40

Sandstein

1,1

34

1,7 

6,8

0,45

5,6

Kalkstein

0,27

8,4

1,7 

6,8

2,2

28

 

3. Untertagemesslabor “Felsenkeller” in Dresden 

Das Untertagelabor "Felsenkeller" in Dresden wurde in einem ursprünglich von einer Brauerei als Eislager genutztem künstlichen Stollnsystem mit einer Gesteinsbedeckung von 47m in einem Flusstal auf normalem Verkehrsniveau errichtet. Nach vorläufigen Messungen mit  NaI(l) - und Ge(Li) –Detektoren im Jahr  1981 wurde 1982 eine spezielle Messkammer mit einer 0,7 m dicken Abschirmung aus dem niedrigaktiven ultrabasischen Gestein Serpentinit aus Zöblitz (Sa.) eingebaut. Dieses Gestein enthält nur 0,01%K, 0,08ppm Th und 0,1ppm U. Damit wurde die Strahlung aus dem umgebenden Gestein weitgehend abgeschirmt. Das Gestein des Felsens am Ort des Stollns besteht aus dem früher als Syenit bezeichneten Hornblendemonzonit, der 5% K, 50ppm Th und 10ppm U und damit mehr als zwei Größenordnungen mehr Radioaktivität als der Serpentinit enthält. Das entspricht Aktivitäten für 40K, 208Tl und  214Bi von 1300, 72 und 120 Bq/kg. Die Gesteinsbedeckung von 47m (125mwe) verringert den Myonenfluss um den Faktor 45. Der Fluss Weißeritz fließt oberhalb des Labors durch das Döhlener Becken, in dem in der Vergangenheit uranreiche Steinkohle abgebaut wurde und sich Halden mit erhöhtem Urangehalt befinden, die im Tal eine erhöhte Radonaktivität in der Luft von ca. 30 Bq/m3 verursachen. Trotz der erhöhten Radioaktivität in der Umgebung wurde das Labor wegen des bequemen Zuganges und der Nähe zu Instituten in einen der vorhandenen Stolln installiert.  

1995 wurde das Laboratorium rekonstruiert und dabei eine zusätzliche Messkammer mit Wänden aus Stahl und Blei installiert. Länge, Breite und Höhe der neuen Kammer betragen 6m, 3m und 2.2m. Ihre Abschirmung besteht von außen nach innen aus 10mm neuem Stahl, 270mm Hartstahlgranulat, 36mm Altstahl, 30mm Blei und 12mm Altstahl. Die Gesamtdicke beträgt 210gcm-2. Der thermischen Isolierung des Labors dient eine 10cm dicke Schicht aus Polystyrenschaum (Styropor). Die HPGe-Detektoren haben jeder für sich eine Bleiabschirmung von 10 bis 17cm. Die Aktivität an 222Rn betrug im Stolln ursprünglich 200 Bq/m3. Im Laboratorium wird sie durch klimatisierte Außenluft reduziert. Der in den Kryostaten verdampfende Stickstoff wird in die Detektorabschirmung geleitet, um dort die radonhaltige Luft zu verdrängen. Besondere Sorgfalt wurde auch auf eine geringe Radioaktivität von Anstrichstoffen und Installationsmaterialien gelegt.

Um die Radonkonzentration in der Luft innerhalb der Detektorabschirmung zu verringern, wird in diese der im Kryostaten verdampfende Stickstoff eingeleitet. Die je nach geologischen Bedingungen erhöhten Radonkonzentrationen in Höhlen, Bergwerken oder anderen unterirdischen Orten wird dadurch verringert, dass man unter Überdruck klimatisierte Außenluft einführt. Ohne Frischluftzufuhr fanden wir im Stolln im „Felsenkeller“ eine Aktivität an 222Rn von ungefähr 200Bq/m3. Nach Installation der Luftzirkulation betrug die Aktivität der Radonzerfallsprodukte in den abgeschirmten Messkammern ca. 27Bq/m3, was der Aktivität außerhalb des Stollns entspricht.

 4. Messung des Neutronenflusses

Einige der im Untergrund der Gammaspektren im „Felsenkeller“ bei langen Messzeiten noch erkennbaren Peaks stammen von Neutronen. Nach Heusser beträgt die  Neutronenflussdichte aus der kosmischen Strahlen in Meereshöhe ungefähr 80m-2s-1 und unter einer Gesteinsdicke von 125m mwe 0,5m-2s-1. Wesentliche Quellen der Neutronen im Untertagelabor “Felsenkeller” sind die natürliche Radioaktivität des Hornblendemonzonits und die Reaktion von Myonen mit dem zur Abschirmung gegen Gammastrahlung dienendem Blei.

Mit einem Spaltstoffmonitor der Fa. GBS-Elektronik wurden Flüsse an schnellen Neutronen im Bereich des Spaltspektrums von 252Cf oberirdisch 28m-2s-1, unter 125mwe im uran- und thoriumreichen Hornblendemonzonit 2,6m-2s-1, im radioaktivitätsarmen Serpentinit 0,26m-2s-1 und in einer 5cm dicken Bleiabschirmung, die von Serpentinit umgeben ist, 3,9m-2s-1 gemessen. Damit konnte die Wirkung der Gesteinsschicht, der Einfluss der natürlichen Radioaktivität des Umgebungsgesteins und die Wirkung einer Bleiabschirmung auf den Neutronenfluss demonstriert werden. Die von der Radioaktivität stammenden Neutronen sind wegen der geringen Konzentrationen an Thorium und Uranium im Serpentinit mehr als zwei Größenordnungen niedriger als im Hornblendemonzonit. In dem gemessenen Wert von 0,26m-2s-1 ist aber noch der von Neutronenmonitor selbst verursachte unbekannte Wert für den Untergrund enthalten. Hashemi-Nezhad und Peak berechneten den Neutronenfluss für ein Gestein, mit 0.81% Natriumoxid, 1ppm Uranium und 1ppm Thorium zu 0,5 m-2s-1, wobei die Hälfte der Neutronen durch(a,n) - Reaktionen mit Natrium gebildet wurden. Für den Hornblendemonzonit mit 6%Na2O, 50ppm Th und 10ppm U würde das einen Neutronenfluss von ca. 50m-2s-1 ergeben. Das deutet darauf hin, dass mit dem oben genannten Spaltstoffmonitor nur ein geringer Teil der Neutronen aus dem Gestein erfasst wird.

 Bei großen Gesteinsbedeckungen werden die Neutronen ausschließlich durch natürliche Radioaktivität gebildet, indem Alphateilchen der Nuklide der Thorium- und Uranzerfallsreihen im Gestein mit den leichten Elementen reagieren. Unter einer Bedeckung von 3400 mwe im Gran Sasso Laboratorium wurden in einer Arbeitskammer, die in den Kalkstein gehauen war, die Neutronen von Rindi et al. (1989) in den Energiebereichen thermisch ( <0,05 eV ), 0,05 eV – 1 keV, und > 2.5 MeV gemessen. Sie verwendeten 3He – Zähler für thermische, moderierte Zähler für schnelle und Zähler mit Moderator und Cd-Mantel für epithermische Neutronen. Sie fanden 0,02, 0,013 und 0,026 m-2s-1.

Während in oberirdischen Labors und in solchen geringer Tiefe die Neutronen vorwiegend durch hochenergetische Neutronen und Protonen und in mittleren Tiefen durch Myonen gebildet werden, gewinnt in Tiefen unter 50mwe die Neutronenproduktion in Gesteinen durch (a,n) – Reaktionen der Alphastrahlung der natürlichen Zerfallsreihen mit leichten Atomkernen wie 9Be, 170, 23Na, 25Mg, 27Al, 29Si größere Bedeutung.

In einem typischen Granit in einem alten Bergwerk in Brook Hills, Australien, der 3,3 ppm U und 12,9 ppm Th enthält, beträgt die Neutronenausbeute 19.5 cm-3y-1 aus (a.n) - Reaktionen der natürlichen Radioaktivität und unter Berücksichtigung des Beitrages der spontanen Spaltung insgesamt 23.8 cm-3y-1. Unter Gleichgewichtsbedingung ist in den Gesteinen die Produktionsrate an Neutronen RN,p gleich der Absorptionsrate RN,a. Mit einem Absorptionskoeffizienten Ka = 1,53 10-2 cm-1 und einer Produktionsrate von 7,6*10-7 cm-3s-1 berechneten Hashemi-Nezhad und Peak einen Neutronenfluss von F = 0.49 m-2s-1.

Ohne Abdedeckung werden bei N.N. 92% der Neutronen durch hochenergetische Hadronen und 8% durch Myonen gebildet. Die in Meereshöhe gemessenen Werte für den Neutronenfluss zeigen beträchtliche Schwankungen: Cocconi und Tongiorgi fanden 40 und Yamashita et al. 1966  62 Neutronen m-2s-1. Letztere fanden dabei 29 Neutronen m-2s-1 im Energiebereich von 0,4 eV – 0.1 MeV, 16 Neutronen m-2s-1 für 0,1 – 1 MeV, und 17 Neutronen m-2s-1 für 1 – 10 MeV.

Als Mittelwert für den gesamten Neutronenfluss werden 64 Neutronen m-2s-1 angegeben (NCRP1982). Der Fluss an thermischen Neutronen wurde von Komura und Yousef 1999 mit Goldtargets zu 10 – 20 m-2s-1 bei einem Cadmiumverhältnis von 5 - 10 und von Martinez 2000 zu 7 – 35 m-2s-1 bei einem Cadmiumverhältnis von 5 gemessen. Das Cd-Verhältnis 5 sagt aus, dass 1/5 des gemessenen Flusses den epithermischen Neutronen zuzuschreiben ist. Als Spaltneutronenfluss wurde von mir 28 m-2s-1 gemessen. Für den Fluss an Neutronen mit Energien oberhalb des Spaltspektrums ergibt sich daraus ca. 15m-2s-1. Lindstrom und Mitarbeiter  berechneten 1990 oberirdisch in einer 15cm dicken Bleiabschirmung im Untergrundspektrum von Germaniumdetektoren aus den Peaks der inelastischen Neutronenstreuung an 74Ge und 72Ge von 596keV und 693keV mit einem Wirkungsquerschnitt von 80mb einen schnellen Neutronenfluss von 200m-2s-1. Die Erhöhung von ca. 30m-2s-1 auf 200m-2s-1 wird durch Reaktionen von hochenergetischen Hadronen und Myonen mit Blei verursacht. Ein 1l Marinellibecher in der Bleiabschirmung erhöht auch den thermischen Neutronenfluss von ca. 20m-2s-1 auf 200m-2s-1.

An der Grenzfläche zwischen Luft und Beton steigt der thermische Neutronenfluss wegen der im Vergleich zur Luft höheren Neutronenausbeute von Beton zuerst an und erreicht ein Maximum bei einer Bedeckung von 0.4mwe. Somit ist die Konversion von Protonen in Neutronen unter der ersten Deckenplatte höher als in der darüber befindlichen Luft. Bei der Bedeckung von 4mwe sind die Anteile der Neutronen aus Protonen und Myonen gleich und einige mwe darunter ist die Bildung aus Protonen zu vernachlässigen.

Dep und Mitarbeiter verglichen 1994 die Ergebnisse von Messungen und Monte Carlo Berechnungen für den relativen Neutronenfluss unter verschieden dicken Betonschichten. Bei 17mwe wurden von Da Silva und Mitarbeitern 1955 0.081 Neutronen m-2s-1 gefunden  Die Flüsse der Neutronen und Myonen werden mit der Tiefe verringert, wobei die Neutronen dann durch elektromagnetische Wechselwirkung von schnellen Myonen mit dem Kernen des Gesteins und durch Myoneneinfang entstehen.

 Die bedeutendste Neutronenkomponente stammt von einer tertiären Strahlung, von schnellen Neutronen, Elektronen und Photonen, die erst im Blei von den hochenergetischen Hadronen und Myonen produziert wird. Damit wird die Bleiabschirmung zu einer effektiven Neutronenquelle. Die Stoßlänge der hochenergetischen Neutronen und Protonen (Hadronen) in Blei beträgt ca. 170 g/cm2 (15cm Blei). Ungefähr 50 % der auf die Abschirmung treffenden Hadronen erfahren deshalb eine Kollision, bei der mit hoher Wahrscheinlichkeit mehrere Neutronen erzeugt werden.

Blei hat einen geringen Wirkungsquerschnitt für thermische Neutronen. Ohne Moderator oder Absorber innerhalb der Abschirmung ist diese für thermische Neutronen durchlässig. Deshalb ist der Fluss an thermischen Neutronen innerhalb und außerhalb der Abschirmung gleich. Arthur und Mitarbeiter haben 1988 die thermischen und schnellen Neutronen innerhalb einer Bleiabschirmung mit einem BF3 - Proportionalzähler, der nur auf thermische Neutronen anspricht, gemessen. Um den Fluss der erzeugten schnellen Neutronen zu messen, haben sie den Zähler mit einer 5cm dicken Paraffinschicht umgeben. Die Zählrate der schnellen Neutronen innerhalb der Abschirmung stieg mit deren Dicke an. Der Detektoruntergrund wurde bestimmt, indem der Detektor mit einer 0.05mm dicken Folie aus Cadmium umhüllt wurde, die alle externen thermischen Neutronen absorbierte. Auch diese Messungen zeigten die Entstehung von schnellen Neutronen im Blei. Blei zeigt jedoch bei der Messung mit einem unmoderierten Detektor innerhalb der Abschirmung keine Wirkung auf thermische Neutronen.

In oberirdischen Laboratorien stammen die meisten Neutronen aus der Wechselwirkung von hochenergetischen Neutronen und Protonen. Diese können auch Spallationen verursachen, die man im Gammaspektrum eines abgeschirmten Germaniumdetektors am gebildeten 57Co erkennt. In der Bleiabschirmung werden die Neutronen durch hochenergetische Neutronen und Protonen gebildet.

Die Produktion von Neutronen im Blei durch Myonen überwiegt schon bei einer Gesteinsabdeckung von einigen Metern. Die Neutronenausbeute wächst mit der Kernladungszahl Z des Materials. Die im Blei gebildeten schnelle Neutronen erzeugen in Germanium durch (n,2n)-, (n,p)- und (n,n`)- Reaktionen 71Ge, 72Ga und 76mGe. 71Ge wird auch durch eine (n,γ)-Reaktion mit thermischen Neutronen gebildet. In tiefer gelegeneren Laboratorien, wo auch der Myonenfluss stark reduziert ist, überwiegt die Bildung von Neutronen aus natürlichen Radionukliden. Deren Energie ist niedriger und ein Teil von ihnen wird durch die leichten Elemente des Gesteins thermalisiert. Deshalb beobachten wir dann nur noch (n,γ)- und (n,n`)- Reaktionen.

Es ist nicht leicht, die Peaks im Untergrundspektren einzelnen Neutronenenergien zuzuordnen. Tabelle 4 zeigt die Ergebnisse eines Experiments bei dem eine 100 mCi 241Am-Be-Neutronenquelle, die ca. 103 Neutronen s-1 emittiert, auf eine 10 cm starke Bleiabschirmung gelegt wurde. Der Abstand zwischen Quelle und einem 2000 mm2 * 20 mm Ge- Detektor betrug ca. 20 cm. Es wurde von Verplancke 1992 mit und ohne einer zusätzlichen 1 cm dicken Piacrylschicht gemessen. In beiden Fällen hat man eine Mischung von schnellen und thermischen Neutronen.

Tabelle 4: Aktivierung von Germanium mit einer außerhalb der Bleiabschirmung angeordneten Isotopenneutronenquelle (Impulsraten r der Peaks in Zähler/h)

Eγ/keV

r, ohne

 Piacryl

r, mit

Piacryl

Zuordnung

 53.4

13.4+-5.4

19.1+-9.5

72Ge(n, γ)73mGe, 74Ge(n,2n)73mGe

 66.7

4.5+-5.0

20.0+-8.1

73mGe, sum:13.3+53.4 keV

 68.7

16.6+-8.0

4.9+-4.9

73Ge(n,n`γ)73mGe, asymmetrisch und verbreitert,

139.6

7.4+-4.5

25.5+-6.6

74Ge(n, γ)75mGe, 76Ge(n,2n)75mGe

159.5

7.1+-5.6

49.9+-8.0

76Ge(n, γ)77mGe

174.9

 

14.6+-7.8

70Ge(n, γ)71mGe, 72Ge(n,2n)71mGe

198.3

6.7+-4.2

21.8+-5.2

70Ge(n, γ)71mGe 72Ge(n,2n)71mGe

595.6

6.5+-5.0

15.8+-5.4

74Ge(n, n`γ)74mGe, asymmetrisch und verbreitert,

73Ge(n, γ)74mGe

691.3

10.6+-5.3

17.8+-7.5

72Ge(n, n`γ)72mGe, asymmetrisch und verbreitert

Arthur und Reeves bestimmten 1992 die Zählraten r (in Zähler pro Tag) in ausgewählten Peaks von Aktivierungsprodukten des Germaniums in einem oberirdisch angeordneten Germaniumdetektor von 31,5% relativer Effektivität bei aus- und bei eingeschalteter Antikoinzidenz (AK). In der Abschirmung befand sich eine 4,8l Wasser fassende Plastikbox, die bei einigen Versuchen mit Wasser (H2O), mit einer zusätzlichen Kadmiumhülle (AK+H2O+Cd), mit in Wasser gelöster Borsäure (H2O+10B) beziehungsweise Lithiumcarbonat (H20+6Li) gefüllt waren Bei einem weiteren Versuch wurden außerhalb der Abschirmung noch 10cm Blei hinzugefügt (Pb+AK) (Tabelle 5).

Tabelle 5: Untergrundzählraten r in Zähler/Tag von ausgewählten Peaks eines Ge –Detektors abgeschirmt mit 15cm Blei und 10cm Plastszintillator und verschiedenen Moderator - Absorberanordnungen innerhalb der Abschirmung

 

E/keV

Nuklid

r

r

AK

r

H2O

r

AK+H2O

r

AK+H2O

+Cd

r

AK+H20

+6Li

r

H2O+10B

r

Pb+AK

53,6

73mGe

64

68

270

220

37

88

54

41

66,7

73mGe

<50

43

240

240

29

68

56

75

139,5

75mGe

89

45

404

320

37

53

44

51

159,7

77mGe

48

17

327

71

14

<6

<6

5,1

198,4

71mGe

121

46

407

266

38

62

58

55

596,6

74Ge*

59

6,3

151

81

16

4,7

3,3

9,1

691,3

72Ge*

90

9

69

14

<3

<2

<2

3,9

569,6

207Pb*

41

10

<17

<7

<4

<3

2,5

5,6

803,3

206Pb*

<23

8

<16

<8

28

<2

3,5

<1

1063

207Pb*

18

7

<13

<7

<3

<2

4,6

3,6

* bedeutet angeregter Zustand

Wasser innerhalb der Abschirmung erhöht den Fluss an thermischen Neutronen und damit die Ausbeute der (n,γ)- Reaktionen. Die Absorber für thermische Neutronen Cd, 6Li und 10B verringern den Fluss an thermischen Neutronen und die Ausbeuten der entsprechenden Reaktionen. Zusätzliches Blei erhöht nicht den Neutronenfluss. Es scheint, dass die von dem zusätzlichen Blei erwartete Erhöhung durch eine entsprechende Verringerung des Flusses an hochenergetischen Hadronen kompensiert wird.

Aus den gemessenen Zählraten ohne Antikoinzidenz und ohne zusätzliches Wasser kann man unter den in Tabelle 6 aufgeführten angenommenen Kerndaten, unter der Voraussetzung dass die Produkte nur aus thermischen oder nur aus Spaltneutronen gebildet werden, scheinbare Flüsse abschätzen. Für die Anzahl der Germaniumatome NGe wurde 7 1024 eingesetzt. Mit den oberirdisch bestimmten Werten für den thermischen Fluss von ca. 30 n m-2s-1 hat man unter der Annahme, dass der thermische Fluss außerhalb der Bleiabschirmung durch das Blei als Neutronenquelle, das Plastmaterial des Koinzidenzdetektors als Moderator wirkt, der thermische Fluss dadurch etwas erhöht ist, und der Fluss innerhalb der Bleiabschirmung ungefähr dem Fluss außerhalb entspricht, für die Nuklide 73mGe und 71mGe vorwiegend thermische Aktivierung anzunehmen. Bei 75mGe und 77mGe sollte dann eine schnelle Aktivierung hinzukommen.  

Tabelle 6: Abschätzung der thermischen und schnellen Neutronenflüsse

 

E/keV

Nuklid

h

σ/barn

ω

ε (geschätzt)

cp24h

Φ/m-2s-1

53,6

73mGe

0,2737

1,0

0,105

0,9

0,74E-3

th:41

66,7

73mGe

0,2737

1,0

 

0,9

<0,6E-3

 

139,5

75mGe

0,3674

0,16

0,34

0,9

1,03E-3

th:82

159,7

77mGe

0,0767

0,9

0,109

0.9

0,56E-3

th:117

198,4

71mGe

0,2055

0,28

1,0?

0.8

1,4E-3

th:42

596,6

74Ge*

0,3674

0,08

1,0

0,7

0,68E-3

f:330

691,3

72Ge*

0,2737

0,080

1,0

0,7

1,04E-3

f:680

Die Neutronen erzeugen darüber hinaus im Blei Photonen, die im Detektor zu einem kontinuierlichen Untergrund beitragen. Myonen erzeugen bei der inelastischen Streuung Bremsstrahlung, die im Detektor ebenfalls zum Kontinuum beiträgt. Außerdem leisten die elastischen Streuungen von Neutronen im Detektor selbst einem Beitrag zum Kontinuum. Auf diese Weise ist der Beitrag der Neutronen zum Kontinuum wesentlich größer als von den hier diskutierten Photopeaks. Anderseits eröffnen die Photopeaks die prinzipielle Möglichkeit zur Berechnung eines Neutronenspektrums.

Viele Kenntnisse über die Wechselwirkung der kosmischen Strahlung mit Blei verdanken wir den Messungen mit Neutronen - Monitoren, wie sie von Simpson 1953 vorgeschlagen worden waren. BF3-Zähler sind mit ca. 2cm Polyethylen ummantelt, in 13,5cm Blei eingebettet und in Bodenstationen über die ganze Erde verteilt, um kontinuierlich die Sekundärteilchen zu messen. Bercovitch und Mitarbeiter zeigten 1960, dass Sekundärnukleonen von Energien von 200 bis 300MeV und mehr bei jeder Wechselwirkung in Blei ungefähr 8 Verdampfungsneutronen mit einer mittleren Energie von ca. 2MeV erzeugen.

Der elastische Neutronenwirkungsquerschnitt in Blei im Energiebereich von Bruchteilen von eV bis zu 5 MeV beträgt 5-10 barn, was einer mittleren freien Weglänge von 3 – 6 cm entspricht. Die Neutronen verlieren bei jedem Stoß mit einem Bleikern im Mittel nur 1 % ihrer kinetischen Energie. Da bis zur Thermalisierung der schnellen Neutronen in Blei extrem viele Stöße notwendig sind, liefern die im Blei gebildeten schnellen Neutronen, wenn sich innerhalb einer Abschirmung kein Moderator befindet, keinen Beitrag zum thermischen Fluss.

In oberirdisch aufgestellten Messplätzen stammen die meisten im Blei erzeugten Neutronen von hochenergetischen Neutronen und Protonen. Auch die neu gebildeten Neutronen haben eine sehr hohe Energie und können deshalb im

Germanium Spallationsprodukte, z. B. 57Co erzeugen. Bei einer Bedeckung des Labors von einigen Metern dominiert die Bildung von Neutronen aus Myonen. Die dabei gebildeten schnellen Neutronen führen im Germanium zu (n,2n) -, (n,p) -, und (n,n´) – Reaktionen, wobei 71Ge, 72Ga und 76mGe entstehen. Als ein Produkt der (n,g) - Reaktion mit thermischen Neutronen entsteht ebenfalls 71Ge. In größeren Tiefen, wo der Myonenfluss stark verringert ist, stammen die Neutronen von den Reaktionen der natürlichen Alphastrahler mit leichten Kernen im Gestein. Die Energie der so gebildeten Neutronen ist geringer, wobei ein großer Teil der Neutronen durch die leichten Kerne der Gesteine thermalisiert wird. Deshalb beobachten wir dann nur noch (n,n´) – und (n, g) - Reaktionen.

In Tabelle 7 sind Zählraten in cps für vier Peaks in Untergrund von zwei Germaniumdetektoren aufgeführt, wovon einer, ein Bohrlochdetektor von 30% Effektivität entsprechend 150 cm3, was bei einer Dichte von 5,35 eine Masse von 0,80 kg ergibt, unter einer 125 mwe Gesteinsdecke in der Messkammer 2 des Felsenkellerlabors (FK) Dresden in einer Abschirmung von 20 cm Eisen und 3 cm Blei und einer zusätzlichen Abschirmung von 17cm Blei angeordnet war. Ein zweiter 160ccm HPGe -Detektor, (0.856 kg) befand sich im Erdgeschoss eines oberirdischen zweistöckigen Gebäudes der Physikalisch – Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig in einem Messraum mit Bleiwänden einer Dicke von 10 cm und einer zusätzlichen Abschirmung des Detektoren mit 10cm Blei. Die Zählraten im Untertagemesslabor überschritten nur wenig die einfache Standardabweichung, so dass man nicht die einzelnen Impulsratenverhältnisse, sondern lediglich den arithmetischen Mittelwert (A.M.) diskutieren kann. Da nicht alle der oberirdisch gemessenen Linien auch unterirdisch gefunden wurden, ergibt sich daraus ein niedrigerer Mittelwert als in Tabelle 7 angegeben.

Tabelle 7: Zählraten, in cps, neutroneninduzierter Nuklide in Ge-Detektoren, die im Untertagemesslabor FK und in einem oberirdischen Labor der PTB gemessen wurden.

 

Eγ,keV

FK

PTB/10/

Reaktionen

FK/PTB

140.5

5E-5

6.3E-4

76Ge(n,2n)75mGe; 74Ge(n,γ)75mGe

0.08

197.9

3E-5

6E-4

70Ge(n,γ)71mGe; 72Ge(n,2n)71mGe

0.05

278

4.5E-5

5.9E-4

63Cu(n,γ)64Cu; 65Cu(n,2n)64Cu

0.08

595.8

3E-5

4E-4

74Ge(n,n`)74Ge*; 74Ge(n,p)74Ga (β) 74Ge*

0.07

A.M.

 

 

 

0.075

Die Zählraten in einem Detektor der PTB (Angaben von Kolb, 1992) sind um einen Faktor 1,5 niedriger als die 1992 publizierten Werte von Arthur und Reeves. Das könnte auf Unterschiede in der Messanordnung und der geomagnetischen Position zurückzuführen sein.

In einem Labor im Keller eines mehrstöckigen Gebäudes haben Canizzaro und Mitarbeiter 1997 den Einfluss einer großen Zahl verschiedener Kombinationen von Abschirmmaterialien auf den Untergrund eines Ge-Spektrometers untersucht. Sie haben dabei auch außerhalb der Bleiabschirmung Schichten von Polyethylen und Borsäure angebracht. Sie fanden dabei keinen Einfluss auf die durch Neutronen erzeugten Linien im Germaniumdetektor, da bei der geringen Bedeckung des Labors die meisten Neutronen durch kosmische Strahlung im Blei erzeugt werden. Anders könnte es in größeren Tiefen sein, wo das Gestein die Quelle der Neutronen darstellt.

Die Myonenkomponente verringert sich mit der Dicke der Gesteinsbedeckung nur langsam, die der Hadronen jedoch schnell. Während bei 5 mwe die Hadronenkomponente auf einen unbedeutenden Anteil verringert wird, verringert sich der Myonenfluss nur auf 55% des Wertes an der Oberfläche. Es kann angenommen werden, dass der Fluss an Photonen ähnlich ist. Entsprechend ist auch der Trend in Blei.

Mit der Tiefe der Gesteinsschicht erhöht sich der Neutronenfluss mit dem ersten mwe. Danach verringert sich der Fluss innerhalb von 10 Metern hauptsächlich durch die Verringerung der Hadronenkomponente, und danach innerhalb von mehreren 100 m durch die Verringerung des Flusses an Myonen. Unterhalb 100 mwe gewinnt neben den aus dem Detektor stammenden Untergrund der Beitrag der Neutronen aus der Radioaktivität des Gesteins an Bedeutung.

Neben dem Studium von durchdringenden Komponenten der kosmischen Strahlung erfolgen in tiefen Untertagelaboratorien Forschungen über seltene Kernzerfallsarten und Messungen der dunklen Materie. Die bei der Entwicklung der Messanlagen gesammelten Erfahrungen können auch für den Aufbau von Untertagelaboratorien in mittlerer Tiefe für die Messungen geringer Radioaktivitäten von Nutzen sein.

5. Vergleich des Untergrundes von Ge-Halbleiter- und Szintillationsdetektoren in verschiedenen Untertagelaboratorien

Der Vergleich der Werte für den Untergrund verschiedener Meßsysteme in verschiedenen Standorten ist sehr nützlich, um nach weiteren Möglichkeiten zur Verringerung des Untergrundes zu suchen. Wir können dabei einzelne Peaks betrachten, aber es hat sich eingebürgert, bei Germaniumdetektoren die Untergrundzählraten rU eines großen Energiebereiches zwischen 40 und 2750 keV zu vergleichen und dabei auf eine Detektormasse m von 1kg Germanium zu beziehen. Dabei wird angenommen, dass die Untergrundzählrate annähernd proportional der Detektormasse ist. In Tabelle 8 werden einige integrale Untergrundzählraten, die in verschiedenen Laboratorien, vorwiegend in CELLAR (Collaboration for European Low-Level Underground Laboratories) gemessen und 2004 publiziert wurden, mit und ohne Antikoinzidenz (AK) angegeben. Die Antikoinzidenzdetektoren befinden sich dabei außerhalb der Bleiabschirmung und dienen lediglich der Verringerung des durch äußere Strahlung verursachten Untergrundes.

Tabelle 8: Vergleich des Untergrundes von Ge – Spektrometern

Laboratorium

Ort

Tiefe

mwe

rU ohne AK

s-1kg-1

rU mit AK

s-1kg-1

ARC*)

Seibersdorf

1

0,58

0,095

PNNL**)

Richland

 

0,37

0,014

MPI IfK

Heidelberg

15

0,2

0,024

IAEA-MEL

Monaco

35

0,08

0,010

VKTA

Dresden

125

0,042

 

Kanazawa Univ.

Ogoya u.l.

270

0,009

 

IRMM

Mol

500

0,0030

 

PTB

Asse

2100

0,0032

 

LNGS

Gran Sasso

3800

0,0010

 

LSCE

Frejus

4800

0,00035

 

*) Österreichisches Forschungszentrum

**) (Brodzinski, 2005)

 In diesen Laboratorien verringert sich bis zu einer Tiefe von 500mwe der Untergrund mit dem Myonenfluss. Danach wird der Myonenfluss viel stärker als der Untergrund verringert. Das zeigt, dass in größeren Tiefen andere Quellen des Untergrundes an Einfluss gewinnen. Die Werte der Tabelle 8 machen deutlich, dass bei Germaniumdetektoren der Untergrund um mehr als drei Größenordnungen verringert werden kann, wenn die Detektoren in tiefen Untertagelaboratorien installiert werden. Antikoinzidenzabschirmungen sind besonders in Laboratorien geringer Tiefe sehr nützlich. Sie wirken so, als ob die Detektoren in größere Tiefe installiert worden wären.

Im Untertagelabor MEL der IAEA in Monaco ist für die Messung von niederenergetischen Gammastrahlen ein HPGe-Detektor mit einem Fenster aus Kohlenstoff installiert. Über die Verringerung des Untergrundes eines Niedrig - Photonenenergie - Germaniumdetektors (LEPD) im Untertagemesslabor im Vergleich zu oberirdischen Labors gibt es wenig Aussagen. Hier hatte bisher die Auswahl der Materialien für die Abschirmung und der Endfenster noch die größere Bedeutung.

Der Untergrund von NaI(Tl)- Detektoren und Szintillationsdetektoren aus anderen Materialien wird später im Zusammenhang mit der β,γ–Koinzidenzspektrometrie besprochen.

6. Schlussfolgerungen

Beim Neu- oder Umbau von oberirdischen Messlaboratorien ist besonders auf die Radioaktivität der Baumaterialien zu achten. Die relative hohe natürliche Radioaktivität der durchschnittlich verwendeten Baumaterialien zwingt dabei zu einer dickeren Bleiabschirmung der Detektoren als sie bei Baumaterial mit geringerer Radioaktivität nötig wäre. Das hat zur Folge, dass durch die kosmische Strahlung in der Abschirmung selbst mehr Neutronen erzeugt werden, die ihrerseits wieder den Untergrund erhöhen. Als Materialien mit geringer Radioaktivität bieten sich unter anderem ultrabasische Gesteine, wie Dunit und Serpentinit, Marmor, Stahl und Plaste an, die an Stelle von normalen Beton oder Ziegel verwendet werden. Bei der Einrichtung von oberirdischen Labors zur Messung geringer Radioaktivität ist es sinnvoll, mit einem Untertagelabor zusammenzuarbeiten und dort die Radioaktivität der zu verwendenden Materialien und Geräte zu messen. Wenn einerseits die kosmische Strahlung stört, sich anderseits aber die Einrichtung eines Untertagelabors nicht lohnt, ist eine außerhalb der Bleiabschirmung angebrachte aktive Abschirmung mit Plastszintillatoren von Nutzen.

Für die Messung von Proben geringer Radioaktivität ist die Einrichtung eines leicht zugänglichen unterirdischen Labors mittlerer Tiefe sinnvoll. Die zu erhebenden Anforderungen sind dabei sowohl von den örtlichen Gegebenheiten als auch von den geplanten Messaufgaben abhängig. Eine zu hohe Radioaktivität des Umgebungsgestein kann durch Einbauten aus Materialien geringer Radioaktivität abgeschirmt werden. Für eine solche Abschirmung der Umgebungsstrahlung aus dem Gestein kann der Aufbau einer Schichtstruktur sinnvoll sein, bei der die Anforderung an besonders geringe Radioaktivität des Materials von außen nach innen zunimmt. Erscheint wegen einer zu geringen Tiefe der Fluss an Myonen noch zu hoch, ist auch untertage der zusätzliche Aufbau einer aktiven Abschirmung aus plastischen Szintillatoren erforderlich.

Mit radiochemischen Trennungen lässt sich der störende Untergrund von weiteren Radionukliden in der Probe am wirksamsten beseitigen. Deshalb sollte ein entsprechendes radiochemisches Labor unbedingt verfügbar sein. Für chemisch abgetrennte Nuklidfraktion bietet sich dann an, wegen der meist geringen Probenmasse, die Vorzüge der β,γ- und der X,γ-Koinzidenz zu nutzen. Oft reicht es aus, wenn der Untergrund der störenden Nuklide um eine Größenordnung verringert wird. Wenn in einem solchen Fall ein Anti-Compton-Spektrometer eingesetzt wird, hat man den Vorteil, dass mehre Nuklide gleichzeitig bestimmt werden können. Die vielfältigen Möglichkeiten der Koinzidenzmesstechnik sollten besonders in Untertagelaboratorien genutzt werden, da dort ihre Vorzüge wegen der geringeren Rate an Zufallskoinzidenzen besser als in oberirdischen Laboratorien genutzt werden können.

Eine ausführliche Beschreibung mit Literaturangaben findet man in der Arbeit  von Niese, Siegfried: Underground laboratories for low-level radioactivity measurements. In: Povinec, Pavel: Analysis of Environmental Radionuclides, Elsevier, Amsterdam et al. 2008, pp. 209 – 240 und Illustrationen in der PowerPoint – Präsentation zum Vortrag von Niese, S., Fluss der Neutronen aus kosmischer Strahlung und Gesteinen in ober- und unterirdischen Messpositionen, 21.Seminar Aktivierungsanalyse und Gammaspektrometrie, Mainz, 21. – 23. März 2007.

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