Kurzfassung eines Vortrages auf der ersten Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Flüssigszintillationsspektrometrie, Karlsruhe 10. 5. 20

Die erste Publikation über die Anregung der Fluoreszenz von organischen Flüssigkeiten durch schnelle Elektronen von Lieselott Herforth und Hartmut Kallmann

S. Niese, L. Herforth

Aus Anlass der Ernennung von L. Herforth zum Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Flüssigszintillationsspektrometrie wird an die ersten Messungen der Fluoreszenz von flüssigen organischen Verbindungen nach Anregung mit Kernstrahlung und an die Stationen ihres Wirkens erinnert. Die prinzipielle Eignung organischer Flüssigkeiten als Szintillatormaterial wurden 1948 in der Dissertation von L. Herforth "Die Fluoreszenzanregung organischer Substanzen mit Alphateilchen, schnellen Elektronen und Gammastrahlen" und einer Publikation von L. Herforth and H. Kallmann 1949 mit dem Titel "Die Fluoreszenzanregung von festen und flüssigem Naphthalin, Diphenyl und Phenanthren durch Alphateilchen, schnelle Elektronen und Gammastrahlen" beschrieben.

Anorganische Szintillatoren waren als Nachweismittel für energiereiche Strahlung schon zur Jahrhundertwende bekannt. Als H. Kallmann, ein ausgezeichnete theoretischer und experimenteller Physiker, der bei Max Planck promoviert und viele Jahre bis 1933 Assistent von Fritz Haber am Kaiser - Wilhelm - Institut für Physikalische Chemie war, mit Hilfe eines von ihm entwickelten Beschleunigers erzeugte Neutronen zur Durchstrahlungsphotographie nutzen wollte, suchte er nach empfindlicheren Detektoren. Diese entwickelte er dann nach seiner Wiedereinstellung im KWI in Berlin - Dahlem 1946, er war während der Nazizeit aus rassischen Gründen entlassen worden, gemeinsam mit seinen Doktoranden I. Broser und L. Herforth. Beide hatten über Zählanlagen bei Hans Geiger diplomiert, wobei L. Herforth nach ihrem Diplom bis zum Beginn ihrer Dissertation noch in verschiedenen Instituten tätig war.

Von 1946 – 1948 arbeitete I. Broser unter Leitung von H. Kallmann an einer Doktorarbeit über das Thema “Über die Anregung von Leuchtstoffen durch Alphateilchen“. Unter Ver­wendung von ZnS(Ag) und CdS(Ag) Einkristallen gelang ihm, die absorbierte Energie mit einem Oszillographen zu bestimmen. Die systematische Untersuchung der durch Kernstrahlung angeregten Fluoreszenz aromatischer Verbindungen war Gegenstand der Doktorarbeit von L. Herforth. So waren die Messungen der durch Kernstrahlung induzierte Lumineszenz organischer Flüssigkeiten Bestandteil systematischer Untersuchungen zur Entwicklung leistungsfähiger auf der Szintillation beruhender Kernstrahlungsmessverfahren.

L. Herforth begann ihre Untersuchungen mit Naphthalin. Als Ausgangsmaterial dienten neben einem Präparat der Fa. Schering, das bereits nach einmaligem Umkristallisieren gute Fluoreszenzausbeuten lieferte, Mottenpulver und Mottenkugeln verschiedener Herstellerfirmen. Sie erkannte, dass in aus halogenierten Kohlenwasserstoffen umkristallisiertem Naphthalin Lösungsmittelreste wegen deren Szintillationslöschung eine verringerte Lichtausbeute bewirkten. Die Messung der Licht­ausbeuten und ihre Interpretation der Ab­hängig­keiten von Sub­stanz, Ver­unreini­gungen und Strahlenart, vermittelten bereits wesentliche Erkennt­nisse für das Verständnis der Flüssigszintillationsspektrometrie (LSC). Sie erklärte die Abnahme der Photonenausbeute mit der Temperatur und beim Schmelzen mit dem Auslöschen durch Moleküle der eigenen Art, das dann hoch ist, wenn niedrige Symmetrie der Packung der organischen Moleküle und große Schwankungen der Molekülabstände auftreten. Damit war auch der Weg zur Erhöhung der Lichtausbeute bei flüssigen Szintillatoren gezeigt.

Ende 1948 ging H. Kallmann in die USA, wo er die Forschung über die Grundlagen der LSC fortsetzte. Der Vertrag von L. Herforth mit dem Kaiser - Wilhelm - Institut für Physikalische Chemie war abgelaufen, und sie setzte ihre Karriere in einem Institut für Medizin und Biologie in Berlin - Buch fort, wo sie die Fluoreszenz organischer Verbindungen zum Nachweis kanzerogener Substanzen nutzte.

L. Herforth wurde am 13. 9. 1916 in Altenburg in Thüringen als Tochter des Schriftstellers Walter Herforth geboren, studierte 1936 - 1940 Physik an der TH Berlin und arbeitete von 1940 - 1946 als Assistentin in Forschung und Lehre u.a. an der TH Berlin, am KWI, an den Universitäten in Leipzig und Freiburg und im Oberspreewerk Berlin auf den Gebieten Mathematik, Physik, Isotopentrennung, Gasentladung, Strahlungsphysik, Verstärkerbau, Kosmische Strahlung und Ultraschallsender. Nachdem sie 1947 - 1948 bei H. Kallmann promoviert hatte setzte sie 1949 - 1954 ihre Arbeit im Institut für Medizin und Biologie der Deutschen Akademie der Wissenschaften in Berlin -Buch bei W. Friedrich über Fluoreszenz und Radioaktivität fort, wobei sie gleichzeitig von 1950 - 1953 Habilitationsaspirantin an der Humboldt-Universität war.

Sie habilitierte sich 1953 über Grundlagen der Fluoreszenzanwendung in der Medizin an der Mathematisch - Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig. 1954 - 1955 war sie an der Universität Leipzig Dozent für Strahlungsphysik, arbeitete 1955 - 1960 in dem neu gegründeten Institut für Angewandte Radioaktivität u.a. in der Ausbildung zur Isotopenanwendung, verfasste sie mit H. Koch das über die Grenzen Deutschlands bekannte "Praktikum zur Anwendung der Radioaktivität" und war gleichzeitig Dozent und Gastprofessur an der Universität Leipzig, von 1957 bis 1960 Professor für Radiophysik, Strahlungsmesstechnik, Dosimetrie und Strahlenschutz an der TH für Chemie Merseburg.

Seit 1. 9. 1960 war sie Institutsdirektor und Professor für Angewandte Radioaktivität an der TU Dresden und daneben 1961 - 1962 Prodekan der Fakultät für Kerntechnik und 1965 - 1968 Rektor der TU Dresden und damit die erste Rektorin einer deutschen Hochschule. In ihrer Arbeit finden wir stets eine enge Beziehung von Forschung und Lehre und sie hielt stets engste Beziehung zu den Industriebetrieben und Kliniken. Besonders bedeutend waren die Entwicklung der Thermolumineszenzdosimeter, die eine genauere Bestimmung der Dosisverteilung bei der Strahlentherapie ermöglichte. Sie war Mitglied der Akademie der Wissenschaften, weiterer Gremien für Wissenschaft und Technik, von Beiräten von Betrieben, in wissenschaftlichen Gesellschaften (Physikalische, Chemische und Biophysikalische Gesellschaften seit deren Gründung), Herausgebergremien von Fachzeitschriften wie Radioanalytical and Radiochemical Letters, Experimentelle Technik der Physik, Isotopenpraxis. Auf Grund ihrer Kompetenz und ihres hohen Ansehens wurde sie Mitglied der Volkskammer, wo sie sich für ein hohes Niveau der Ausbildung einsetzte, und Mitglied im höchsten Repräsentativorgan der DDR, dem Staatsrat. 1974 wurde sie Ehrendoktor an der Universität für Chemische Industrie in Vezprem (Ungarn).

Nach der 1976 erfolgten Emeritierung wirkte sie noch aktiv in den verschiedensten Gremien, Redaktionen und wissenschaftlichen Gesellschaften mit. Jetzt, 25 Jahre nach ihrer Emeritierung, erfreut sie sich der anregenden Besuche ihrer ehemaligen Schüler, von denen viele schon in den Ruhestand getreten sind, andere arbeiten noch aktiv auf dem Gebiet des Strahlenschutzes in Betrieben und Ämtern.

Literatur

Herforth L, Kallmann H. 1949. Die Fluoreszenzanregung von festem und flüssigem Naphthalin, Diphenyl und Phenanthren durch Alphateilchen, schnelle Elektronen und Gamma­strahlung. Annalen der Physik 6. 4: 231 - 45.

Herforth L. 1948. Die Fluoreszenzanregung organischer Substanzen mit Alphateilchen, schnellen Elektronen und Gammastrahlen, Dissertation, TH Berlin-Charlottenburg, 13 September 1948.