Gorleben und Hamurapi

 Willy Marth warf in seinem Beitrag „Was Gorleben mit Shakespeare gemeinsam hat“ vom 11. November 2012 (http://www.rentnerblog.com/2012/11/was-gorleben-mit-shakespeare-gemeinsam.html) die Frage auf, wie die künftigen Generationen zu den für die weitere Betreuung der Endlager notwendigen Kenntnissen und Informationen kommen könne. Auch wenn in Deutschland am Ende dieses Jahrhunderts der letzte radioaktive Rückstand versenkt worden ist, ist es immerhin denkbar, dass sich andere Länder, die sich den Luxus eines EEG nicht leisten können, nachdem die letzte Grube mit abbauwürdigem Uran geschlossen wurde, die in den abgebrannten Brennelementen der thermischen Reaktoren noch vorhandene Energiereserven in schnellen Brütern nutzen, oder irgendwann einmal eine Fusion kleiner Atomkerne technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll wird, wobei das kerntechnische Wissen weiter genutzt wird und ebenfalls radioaktive Rückstände anfallen. Aber auch die Förderung des dazu notwenigen Lithiums hat ihre Grenzen. So wird die Kerntechnik mit ihren Erfahrungen und Wissen auch lange bevor die Radioaktivität der Rückstände auf das Maß der natürlichen radioaktiven Stoffe abgeklungen ist, einmal weltweit verschwinden. Ort und Inventar der Endlager und das erforderliche Wissen über die Radioaktivität können dann nicht mehr auf den jetzigen kurzlebigen Datenträger- und Verarbeitungssystemen gespeichert werden. Die Speicherung des umfangreichen Gesetzeswerkes von Hamurapi ist dabei ein ausgezeichnetes Vorbild. Es hat sich Jahrtausende erhalten und wurde nach 3000 Jahren von den Archäologen decodiert. Dabei bieten sich auch Künstlern Möglichkeiten für die Gestaltung entsprechender Obelisken. Dabei bietet sich als erstes Objekt das Endlager Morsleben an, wo die Einlagerung radioaktiver Rückstände abgeschlossen ist.

 Dass es in diesem Jahrhundert in Deutschland ein Endlager für abgebrannte Bennelemente und Rückstände der Wiederaufarbeitung geben wird, halte ich für äußerst unwahrscheinlich. Das deutet sich auch in der Zeitplanung der kürzlich zu diesem Thema eingesetzten Kommission an. Nachdem ich über 50 Jahre die Literatur und die Nachrichten zu den Themen Wiederaufarbeitung, Endlager und auch zur Transmutation verfolgt habe,

unterbreitete ich dem Präsidenten des BfS am 12. März 2012 einen vom BfS allerdings nicht akzeptierten Vorschlag für die Einbeziehung eines unterirdischen Langzeitlagers in einem Tunnelsystem in das Programm der Endlagersuche und schrieb darin:

 „Die Geschichte des deutschen Endlagerprojektes im Salzstock ist eine Folge des vor 50 Jahren weltweit angenommenen baldigen Verbrauchs der Uranvorräte und der Ablösung der thermischen Reaktoren durch schnelle Brüter und des Brennstoffzyklus, wo als Abfall im wesentlichen Spaltprodukte anfallen. Diese sollten ohne eine Option der Rückholung in tiefen Endlagern verbracht werden, ohne befürchten zu müssen, dass über lange Zeiträume langlebige Radionuklide in radiotoxisch wirkenden Aktivitätskonzentrationen auf irgend einem Weg in die Biosphäre gelingen können. Diese vor 50 Jahren gemachten Annahmen treffen heute nicht mehr zu.

 In Deutschland beginnt erneut eine ergebnisoffene Suche nach einem sicheren Endlager für hochradioaktive Abfälle, aus dem diese bei neuen Erkenntnissen durch bergmännische Maßnahmen innerhalb der nächsten 500 Jahre wieder zurückgeholt und kontrolliert werden können. Gleichzeitig beteiligt sich Deutschland an einem umfangreichen EU-Programm zur Entwicklung von Verfahren und Anlagen zur Transmutation der extrem langlebigen und radiotoxischen Nuklide in kurzlebigere, so dass die verbleibenden Radionuklide kurzlebig genug sind, damit nach einem Zeitraum von 10000 Jahren die spezifische Aktivität der in der Erde vorhandenen natürlichen Uranminerale nicht überschreiten.

 Gegenwärtig lagern die abgebrannten Brennelemente in Zwischenlagern bei den Kernkraftwerken oder in Ahlen, Lubmin oder Gorleben. In Gorleben lagern auch die Glaskokillen mit den Rückstände der Wiederaufarbeitung. Diese Zwischenlager sollen, wie die Öffentlichkeit am 13.02.2012 erfahren konnte, so wie schon vorher die KKW einem Stresstest unter besonderer Berücksichtigung ihrer Sicherheit gegenüber Flugzeugabstürzen unterzogen werden.

 Die auf der Grundlage neuer Erkenntnisse in den in den letzten Jahren geforderte Rückholbarkeit aus einem Endlager, die ergebnisoffene Standortsuche und die zur Diskussion gestellte Nachrüstung der Zwischenlager veranlassen mich, auch die Einbeziehung eines unterirdischen Langzeitlagers in einem Tunnelsystem in das Programm der Endlagersuche zur Diskussion zustellen.

Der Zeitraum bis zur Auffindung eines geeigneten Standortes und die daran anschließende

Fertigstellung eines den gegenwärtigen und sich noch in Zukunft ergebenden Anforderungen an ein Endlager in Deutschland kann die genehmigte Betriebsdauer der oberirdischen Zwischenlager überschreiten. Ebenso kann sich der Prozess der Entwicklung und Erprobung von Verfahren der Transmutation noch länger hinauszögern. Parallel dazu kann sich der Prozess der Vereinigung europäischer Staaten so entwickeln, das bei der Lösung des Endlagerproblems mehr europäische Gesichtspunkte als gegenwärtig berücksichtigt werden müssen.

 In der nächsten Zeit sollen die vorhandenen Zwischenlager bei den Kernkraftwerken sowie in Aarhaus, Lubmin und Gorleben einem Stresstest unterzogen werden, wobei die Sicherheit gegenüber Flugzeugabstürzen besonders geprüft werden soll. Daneben ist eine Verdickung der Umgebungsmauern vorgesehen. Die sich ergebenden Nachrüstungen werden dann auf eine beträchtliche Verlängerung der Betriebsgenehmigungen bis zur Fertigstellung eines Endlagers hinauslaufen.

Ich schlage hiermit vor, neben der Nachrüstung und der Verlängerung der Betriebsgenehmigung der dezentralen Zwischenlager und einer deutschlandweiten Endlagersuche auch die Zweckmäßigkeit eines zentralen unterirdischen Langzeitlagers zu untersuchen. Dabei hätte ein in einem Tunnel angeordnetes kontrollierbares Langzeitlager viele Vorzüge gegenüber einem Lager in der Tiefe aus denen die Abfälle nur bergmännisch rückholbar wären. In dem Tunnel könnten radioaktive Abfälle in „Abzweigungen“ verfüllt und abgeschlossen werden, woraus sie mit vertretbarem Aufwand zurückgeholt werden und gegebenenfalls darin sogar darin verbleiben können.

Bei der Stromerzeugung durch Kernenergie fallen schwach und mittelaktive Betriebsabfälle und bei Rekonstruktionen und Rückbau aktivierten Komponenten an. Die abgebrannten Brennelemente (BE) und die bei deren Wiederaufarbeitung (WA) anfallenden Rückstände bilden das Inventar an hochradioaktiven und wärmeerzeugenden Abfällen. Daneben gibt es noch schwach radioaktive Rückstände an UF6 mit verringertem Gehalt an 235U aus der Urananreicherung und schwach radioaktives Uran mit verringerten Anreicherungsgrad aus der WA von abgebrannten BE.

Gegenstand dieser Betrachtung sind in erster Linie die hochradioaktiven abgebrannten BE und die verglasten Rückstände aus der WA. Selbst wenn eine Einlagerung der bisher als mittelaktiv eingestuften Betriebsabfalle, wozu u.a. die Absorbermaterialien aus dem Primärkreislauf gehören, wegen der darin enthaltenden langlebigen Transurannuklide nicht in dem vorgesehene Lager Konrad akzeptiert wird, wäre auch in dem Langzeitlager dafür Platz, wo sie bis zur Verarbeitung in einem Transmutationsprozess oder einer akzeptierten Endlagerung aufbewahrt werden können.

Eine Zwischenlösung erscheint auch deshalb sinnvoll, weil der in Deutschland beschlossene Atomausstieg nicht von allen Ländern der Erde übernommen werden kann, solange nicht alle Kernwaffen vernichtet worden sind. Unabhängig davon, welche Staaten in den nächsten Jahren die Stromerzeugung mittels Kernenergie einstellen oder erweitern, lagern bei den Kernwaffenmächten große Mengen hochangereichertes Uran und Plutonium, dass nach der Erneuerung und der bei Abrüstungsmaßnahmen erfolgten Reduzierung der Waffen am besten dadurch beseitigt wird, dass man das Kernmaterial mit Natururan verdünnt und in Kraftwerksreaktoren verbrennt.

Ich würde es begrüßen, wenn eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe zu diesem Thema mit einer Studie beauftragt werden würde.“

29.06.3014

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